26.05.2016

Das amerikanische Paradox

Sie sind glücklich,
weil sie Speck essen



In der medizinischen Fachzeitschrift "The American Journal of Medecin" erschienen im März 1997 die Ergebnisse einer groß angelegten Ernährungsstudie unter dem Namen "Divergent Trends in obesity and fat intake Patterns: The American Paradox". Die Autoren, Heini und Weinsier, waren von den Ergebnissen ihrer Studie derart aus der Fassung gebracht, dass ihnen hierzu nur der Titel "das amerikanische Paradox" einfiel. Was war geschehen? Obwohl die Kalorienzufuhr der US-Amerikaner zwischen 1980 und 1990 um 4% gesunken war, der Fettkonsum sogar um 11%, hatte sich die Zahl der Fettleibigen in der Bevölkerung um 31% erhöht. Heini und Weinsier meinten, das unerwartete Ergebnis könne sich nur durch Bewegungsmangel erklären lassen. 

Doch auch hier konnte die Wissenschaft keinen positiven Zusammenhang nachweisen. Gerade ältere Menschen treiben heutzutage viel häufiger und intensiver Sport als 1960, als ein joggender 65-jähriger als Exzentriker galt. Trotzdem stieg seitdem der prozentuale Anteil der Typ-2-Diabetiker in Deutschland ab einem Alter von 65 Jahren von etwa 2% auf etwa 25% an und es vervierfachte sich der prozentuale Anteil von Fettleibigen in der deutschen Bevölkerung. 

Tatsächlich hat keine wissenschaftliche Studie je belegen können, dass Überernährung und Bewegungsmangel die epidemiologische Ursache für Fettleibigkeit und Diabetes sind. Trotzdem sind die meisten Ernährungssexperten und Ärzte der festen Überzeugung, man müsse nur weniger Kalorien zu sich nehmen und viel Sport treiben, um dauerhaft schlank zu bleiben und keinen Diabetes zu entwickeln.

Glücklicherweise gibt es aufgeklärte Ärzte und Laien, die nicht dem Trugschluss aufsitzen, dass der menschliche Metabolismus wie eine Dampfmaschine funktioniert. Sie wissen, dass Hormone unseren Stoffwechsel steuern und dass es oft dieselbe hormonelle Störung in der Verwertung von Kohlenhydraten ist, welche zu Fettleibigkeit, metabolischem Syndrom und Typ-2-Diabetes führt. 


Der Teufelskreis:
Hyperinsulinismus und Insulinresistenz

Eine anhaltend hohe Konzentration von Insulin im Blut nennt sich Hyperinsulinismus. Er ist die Folge einer übermäßigen Insulinausschüttung nach dem Essen von stark kohlenhydrathaltigen Nahrungsmitteln (Brot, Teigwaren, Kartoffeln, Reis, Süßspeisen, Obst, Fruchtsäfte, Limonade, Bier…). 

Bei Menschen mit gut funktionierendem Stoffwechsel produziert die Bauchspeicheldrüse gerade soviel Insulin, dass der Blutzuckerspiegel und der Insulinspiegel schnell auf das Normalniveau absinken. 

Bei immer mehr Menschen ist dieser Vorgang gestört; denn bei ihnen schüttet die Bauchspeicheldrüse nach zucker- und stärkereichen Mahlzeiten übermäßig viel Insulin zeitverzögert und längere Zeit aus. Wenn sie jetzt regelmäßig kohlenhydratreiche Mahlzeiten essen, pendelt sich ihr Insulinspiegel auf einem hohen Niveau ein. Hyperinsulinismus ist entstanden.

Die Veranlagung hierzu kann angeboren oder erworben sein. Hyperinsulinismus geht immer mit Übergewicht und erst recht mit Fettleibigkeit einher. Warum?

Ein hoher Insulinspiegel regt die Aktivität des Enzyms Lipoproteinlipase stark an. Dessen Aufgabe besteht darin, die Fette aus der letzten Mahlzeit zu mobilisieren und in Form von Triglyzeriden in den Fettzellen zu speichern, Lypogenese genannt. 

Unsere Leber speichert Glukose als Glykogen, um den Blutzuckerspiegel stabil zu halten. Ist der Glykogenspeicher gefüllt, wandelt die Leber ankommende Glukose in Triglyzeride um, welche nun ebenfalls die Fettzellen füllen.  

Gleichzeitig blockiert ein hoher Insulinspiegel die Aktivität des Enzyms Triglizeridlypase, welches für den Abbau der Fettzellen, die Lipolyse, zuständig ist.

Deswegen setzen Menschen mit Hyperinsulinismus sehr schnell Fett an und es gelingt ihnen mit wachsendem Alter immer seltener, es wieder abzubauen. Menschen mit einem niedrigen Insulinspiegel bleiben dagegen schlank, selbst wenn sie essen wie die Scheunendrescher.

Hyperinsulinismus verschlechtert die Insulinsensibilität der Körperzellen und führt zu Insulinresistenz. Die Insulinrezeptoren der Zellen verweigern sich hierbei dem Insulin und lassen die Glukose nur widerwillig in das Zellinnere ein. Darauf schüttet die Bauchspeicheldrüse noch mehr Insulin aus, um die Glukose in die Zelle zu zwingen, wodurch sich die Insulinresistenz verstärkt, welche wiederum den Hyperinsulinismus verstärkt. 

Ein Teufelskreis hat sich in Gang gesetzt, welcher zuerst zu Übergewicht, dann zum Metabolischen Syndrom (abdominale Adipositas, Fettleber, Insulinresistenz, Hyperinsulinismus, gestörte Glukosetoleranz, Bluthochdruck, überhöhte Blutfettwerte) und irgendwann zu manifestem Diabetes (chronisch überhöhte Blutzuckerwerte) führt.

Die meisten Ärzte ignorieren diese fundamentalen Zusammenhänge zwischen regelmäßigen zucker- und stärkereichen Mahlzeiten, Hyperinsulinismus und Insulinresistenz. Sie ignorieren, dass Typ-2-Diabetes, metabolisches Syndrom und Fettleibigkeit verschiedene Manifestationen derselben Ursache sind. Würden sie sonst ihren Patienten raten, sich sechs mal täglich und zu 50-60% mit Zucker und Stärke zu ernähren?


Die Entwicklung von Fettkonsum und Fettleibigkeit
von 1955-1990 in den USA: der Kosum von Fett
sinkt und Fettleibigkeit steigt.

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